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Bundesfamilienministerin zur Zukunft des Zivildienstes

07.04.2010 23:45

Kristina Schröder und Karl-Theodor zu Guttenberg im Interview mit der Bild am Sonntag zur Verkürzung des Wehr- und Zivildienstes auf sechs Monate.

Bild am Sonntag: Frau Ministerin Schröder, Herr Minister zu Guttenberg, Sie haben gerade den Bundestagsfraktionen Ihren Gesetzesentwurf für eine Verkürzung des Wehrund Zivildienstes vorgestellt. Wie sieht der aus?

Kristina Schröder: Fang du an, Karl-Theodor, als Verteidigungsminister bist du federführend bei dem Gesetz.

Karl-Theodor zu Guttenberg: Die Koalition hat auf Drängen der FDP vereinbart, den Wehr- und Zivildienst von neun auf sechs Monate zu verkürzen - eine Herausforderung. Denn diese Verkürzung darf nicht zum Einstieg in den Ausstieg aus der Wehrpflicht führen. Bevor jedoch viele wieder in Gejammer verfallen: Der Auftrag bietet auch eine große Chance. Das halbe Jahr muss für die jungen Menschen zu einer ebenso fordernden wie spannenden und bestens genutzten Zeit werden. Zugleich müssen wir sicherstellen, dass die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber bleibt, der über gut qualifizierten Nachwuchs verfügt. Der Gesetzesentwurf bietet hierfür alle Voraussetzungen.

Kristina Schröder: Der Zivildienst ist Wehrersatzdienst. Daher müssen wir Veränderungen der Dienstzeit für Rekruten übernehmen. Viele junge Männer erleben den Zivildienst als besondere und wichtige Phase in ihrem Leben, die ihnen den Weg in den Beruf weist. Die wenigen männlichen Erzieher in Kitas sind meistens über den Zivildienst dorthin gekommen. Der Zivildienst ist aus dem Sozialbereich dieses Landes kaum mehr wegzudenken. Eine Verkürzung um ein Drittel ist also nicht leicht zu verkraften. Deshalb sieht unser Gesetzesentwurf die Möglichkeit vor, den Zivildienst freiwillig um bis zu sechs Monate zu verlängern.

Bild am Sonntag: Wie sieht das konkret aus?

Kristina Schröder: Die Zivis sollen die Möglichkeit erhalten, unmittelbar im Anschluss an ihren Dienst um bis zu sechs Monate bei gleicher Bezahlung und Fortlaufen der Versicherungen zu verlängern. Das soll möglichst unbürokratisch und flexibel geschehen, um der individuellen Lebenssituation Rechnung zu tragen.

Bild am Sonntag: Haben Sie Erkenntnisse, wie viele Zivis davon Gebrauch machen werden?

Kristina Schröder: Wir gehen davon aus, dass etwa ein Drittel der Zivis freiwillig verlängern wird - in der Regel die besonders engagierten. Das Angebot ist außerdem attraktiv, weil nach einer Verkürzung die meisten ihren Dienst im August/ September beginnen und dann schon im Februar/ März damit fertig wären. Ausbildung und Studium starten aber in der Regel im Herbst, sodass für viele eine Lücke entstehen würde.

Bild am Sonntag: Sie haben Ihren Wehrdienst bei den Gebirgsjägern in Mittenwald geleistet. Dachten Sie damals schon: Dafür hätte auch ein halbes Jahr gereicht?

Karl-Theodor zu Guttenberg: Als ich vor 18 Jahren bei der Bundeswehr war, dauerte der Wehrdienst noch zwölf Monate. Für mich waren die ersten sechs Monate eine ausgefüllte und gut genutzte Zeit. Bereits dann fühlte ich mich als Soldat sehr gut ausgebildet. Ich weiß aber von anderen, dass sie sich in dieser gesamten Zeit furchtbar gelangweilt haben. Es kommt also nicht allein auf die Länge des Dienstes an, sondern auf seine Ausgestaltung.

Bild am Sonntag: Wie lange soll künftig die Grundausbildung sein?

Karl-Theodor zu Guttenberg: Das haben wir in der Truppe genau abgefragt. Dabei stellte sich heraus: Nicht für jeden Truppenteil wird eine dreimonatige Grundausbildung gebraucht. Da kommen wir künftig mit zwei Monaten aus. Entsprechend unterschiedlich gestaltet sich der Rest der Dienstzeit. So reagieren wir flexibel auf die Bedürfnisse der verschiedenen Teilstreitkräfte.

Bild am Sonntag: Trotzdem klingen sechs Monate Grundwehrdienst nach einer Praktikanten-Armee: viel guter Wille und Engagement, aber wenig Ahnung.

Karl-Theodor zu Guttenberg: Entschiedener Widerspruch: Wir wollen hier keine Praktikanten, die bei der Bundeswehr einen Schnupperkurs belegen und ein paar Wochen in für sie lustigen Uniformen herumlaufen. In sechs Monaten kann ein erstklassiges Ausbildungs- und Tätigkeitsfundament geschaffen werden, das für viele Funktionen in der Bundeswehr ausreicht. Und: Es soll in diesen sechs Monaten ja niemand bereits zum General ausgebildet werden.

Bild am Sonntag: Bislang waren die Wehrpflichtigen das Rückgrat der auf Landesverteidigung ausgerichteten Bundeswehr. Die Landesverteidigung ist, da wir von Freunden umgeben sind, in den Hintergrund gerückt. Zu welchem Zweck werden sie künftig konkret ausgebildet?

Karl-Theodor zu Guttenberg: Die Bundeswehr hat unglaublich viele und unterschiedliche Tätigkeiten zu bieten...

Bild am Sonntag: ...vom Hofkehren bis zum Raketenabschuss...

Karl-Theodor zu Guttenberg: Richtig, aber auch weit darüber hinaus. Und wir dürfen nicht den Schutz der Heimat vergessen, eine Aufgabe, für die eine kürzere Einsatzzeit durchaus sinnvoll sein kann. Landesverteidigung heißt heute mit Blick auf die neuen Bedrohungen ja nicht nur das Sichern der Landesgrenzen. Und man lernt natürlich die Grundmuster der Disziplin kennen, die manchem nicht geschadet haben.

Bild am Sonntag: Die FDP nennt Ihr Konzept einen guten Kompromiss auf dem Weg zur Berufsarmee. Einverstanden?

Karl-Theodor zu Guttenberg: Nein. Dieser Ansatz ist nicht vereinbar mit dem Inhalt des Koalitionsvertrags. Mit mir ist eine Abschaffung der Wehrpflicht nicht zu machen. Sollten aber einige in der FDP tatsächlich versuchen, die Verkürzung der Wehrdienstzeit etwa zu verzögern oder das Konzept inhaltlich so zu verwässern, dass es einem Ausstieg immer näher käme, dann würden sie damit etwas ganz anderes erreichen: Dann bleibt es bei der bestehenden Rechtslage und damit bei einer Wehr- und Zivildienstpflicht von neun Monaten, die allerdings auch zu optimieren wäre.

Bild am Sonntag: Die FDP lehnt eine freiwillige Verlängerung des Zivildienstes bislang ab. Haben Sie den Eindruck, dass sich die Liberalen sperren, weil sie die Verkürzung doch als Einstieg in den Ausstieg sehen?

Kristina Schröder: Wenn man den Zivildienst als Geisel nehmen würde, um den Wehrdienst zu treffen, wäre das unverantwortlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Koalitionspartner so agiert.

Bild am Sonntag: Was ist mit Urlaub für die Rekruten und Zivis?

Karl-Theodor zu Guttenberg: Eines muss klar sein: Ein Dienst, der nur ein Urlaub ist, der von Wehrdienst unterbrochen wird, macht weder für die Bundeswehr noch für die jungen Menschen Sinn. Wir haben uns darauf geeinigt, dass sechs Tage Urlaub eine gute Lösung sind. Alles, was darüber hinaus ginge, würde keinen Sinn machen.

Kristina Schröder: Mir war der Punkt Urlaub sehr wichtig. Wenn wir junge Männer für ein halbes Jahr zu einem Dienst verpflichten, müssen wir ihnen auch die Möglichkeit geben, ihre Partnerin und ihre Familie sehen zu können. Im vergangenen Jahr haben sich in Deutschland bereits mehr junge Menschen für den Zivil- als für den Wehrdienst entschieden, nämlich 90 000 gegenüber 68 000 Rekruten.

Bild am Sonntag: Wohlfahrtsverbände befürchten den Zusammenbruch des Systems, wenn sie jetzt innerhalb weniger Wochen von neun auf sechs Monate umstellen müssen. Können Krankenhäuser und soziale Einrichtungen auf ein Drittel der Arbeitskraft der Zivis ab August verzichten?

Kristina Schröder: Die Verkürzung ist eine Herausforderung, aber die Lücke entsteht erst zum 1. Februar, wenn der erste Zivildienstjahrgang nach sechs Monaten aufhört. Die Wohlfahrtsverbände haben mir aber signalisiert, dass sie - wenn es die Möglichkeit der freiwilligen Verlängerung gibt - auch in Zukunft die Zivildienststellen vorhalten werden.

Bild am Sonntag: Gibt es die freiwillige Verlängerung nicht, macht Zivildienst in vielen Einrichtungen keinen Sinn mehr, dann fallen viele Stellen weg. Dann kriegen Sie das Problem, der Zivil dienstgerechtigkeit, weil Sie den jungen Männern gar keine Stellen anbieten können.

Kristina Schröder: Genau.

Bild am Sonntag: Frau Schröder, der Zivildienst wird nach Ihrem Vorschlag künftig stark auf Freiwilligkeit beruhen. Haben Sie sich in Ihrem Leben auch schon sozial engagiert, Ihr Modell also vorgelebt?

Kristina Schröder: Seit meinem 14. Lebensjahr habe ich mich ehrenamtlich politisch engagiert. Ich war im Kommunalparlament und der Jungen Union aktiv. Ich weiß, wie prägend es für das ganze Leben ist, eine solche Erfahrung gemacht zu haben. Völlig unabhängig davon, ob daraus - wie bei mir - ein Beruf wird oder nicht.

Das Interview erschien am 28. März in der Bild am Sonntag. Das Gespräch führten Michael Backhaus und Angelika Hellemann.

 

Quelle: www.bmfsfj.de

Link: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/aktuelles,did=134514.html


 


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